Michael Miersch und Dirk Maxeiner definieren in ihrem neuesten Buch den Begriff „grün“ neu
Ein Gastbeitrag von Dr. Martin Leonhard
Grün sein bedeutet für die Autoren Maxeiner und Miersch, den Menschen und seine Umwelt wieder zum Maß der Dinge zu machen. So das scheinbar schlichte Bekenntnis und doch ein Hilferuf als Schlusssatz eines fesselnden Buches, das jedem mündigen Bürger, vor allem auch jedem Lehrer, Journalisten, Entscheidungs- und Mandatsträger wärmstens zur Lektüre empfohlen werden kann. Das Buch besticht durch eine Vielzahl an Fakten, anhand derer sich der Leser selbst ein eigenes Bild machen kann.
Maxeiner und Miersch sehen sich selbst als Renegaten, als abtrünnige Umweltbewegte. Sie entlarven den „Ökologismus“ als eine der einflussreichsten Religionen der westlichen Welt und sehen sich dabei nicht nur im Einklang mit Michael Crichton, dem verstorbenen Bestsellerautoren (u.a. Jurassic Park), der den Ökologismus seinerseits als die „bevorzugte Religion urbaner Atheisten“ bezeichnete.
All diejenigen, die den Titel nun goutierend zur Seite legen möchten, da ihre eigene politische Vorzugsfarbe eine andere als grün ist, ist die Lektüre besonders zu empfehlen. Politikern der Unionsparteien sei das Buch wärmstens ans Herz gelegt. Auch die Autoren haben festgestellt, dass die CDU grüne Forderungen ein wenig später übernehme als andere, sie dann aber als alternativlos adle. Somit besteht für die CDU dann die Gefahr, so die Einschätzung des Rezensenten, dass sie in einem der hinteren Wagen auch als eine der letzten merkt, dass der Rest des Zugs längst abgekoppelt und auf einem anderen Gleis fährt. Auf dem anderen Gleis winken dann bereits exemplarisch der Bergsteiger und Naturschützer Reinhold Messner, das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) oder die Expertenkommission der Bundesregierung, die alle auf ihre Art und Weise scharf die deutsche Energie- oder Klimapolitik der Bundesregierung als überstürzt, unwirksam oder beides kritisieren.
Der Leser ahnt es schon, es ist alles andere als Friede, Freude, Eierkuchen, was die Autoren anpacken und aufdecken, und davon gibt es auf etwa 380 Seiten eine ganze Menge. Der Leser und alle Entscheidungsträger werden aufgefordert, grünes Denken zu hinterfragen. Das Mantra vom Glauben an die Energiewende hat etwas Sektiererisches, nicht etwas Gottgegebenes. Wir seien denkfaul geworden und die Politik erklärt uns den Weg als alternativlos für die nachfolgenden Generationen. Diejenigen mit der besten naturwissenschaftlichen Bildung seien gegenüber der These der gefährlichen Klimaerwärmung skeptischer als diejenigen mit schlechter Bildung, so zitieren die Autoren Untersuchungen der renommierten Yale Universität. Ein Plädoyer für gute Bildung und kritisches Denken folgt. Wir als Land, das das Kapital zwischen den Ohren hat, sollte da noch Potential haben.
Die Autoren berichten von konkreten Maulkörben für die Wissenschaft, wenn die Botschaft nicht in die klimapolitisch richtige Richtung gehe, oder das generalstabsmäßige Manipulieren von Daten, was 2009 in Fachkreisen als Climategate-Skandal die Runde machte. Die Wissen- schaft bezahle für diese Instrumentalisierung, dass sie von Vielen nicht mehr entsprechend ernst genommen werde. Die Robustheit und fehlende Validierungsmöglichkeit der etablierten Klimamodelle werden hinterfragt, die trotz unbestritten steigender CO2-Werte die seit 1998 etwa konstante Globaltemperatur nicht vorhergesagt haben.
Es wird herausgearbeitet und belegt, dass Armut Natur zerstöre und erst ein gewisser Wohl- stand die Voraussetzung dafür sei, dass man es sich leisten könne, die Umwelt zu schützen. Bezahlbare Energie ermögliche ein gewisses Wohlstandsniveau in Schwellenländern, teure Windkraftwerke sicher nicht. Das Idyll von „zurück zur Natur“, kleinparzelligem, autarkem Leben, das unabhängig vom Rest der Gesellschaft sei, wird dabei angekratzt.
Die Kapitel zur Energiewende in Deutschland sind ein Muss für den Politiker: Ja, man konnte das deutsche Desaster tatsächlich kommen sehen. Die Gebetsmühlen der deutschen Politik überzeugen den aufgeklärten Bürger und Leser des Buches nicht. Die Geschichte des „EEG und der Energiewende ist deshalb eine exemplarische Geschichte für grünes Nicht-Wissen- Wollen und hartnäckige Realitätsverweigerung. Die politische Klasse in Deutschland tut allerdings so, als wäre sie völlig überrascht davon“. Leser des Buches werden solchen Politikern nicht mehr glauben und Fragen nach einer verantwortungsvollen Energiepolitik stellen. Deutschland will der energiepolitische Vorreiter der Welt sein, doch wer folgt?
Das Buch bietet auch einen sehr interessanten Exkurs zur Umweltbewegung der DDR mit einem Gespräch mit Vera Lengsfeld, einer DDR-Grünen der ersten Stunde, die heute CDU- Mitglied ist. Lengsfeld heute kritisch über die Union: „Die ideologiegesteuerte Energie- wende ist ein Coup d’État, wie ich ihn mir bei der Partei der wirtschaftlichen Vernunft, die die CDU einmal war, nicht hätte vorstellen können. Die grüne Ideologie legt sich wie Mehltau über das Land… Zum grünen Mehltau gehört für mich die Vorstellung, planwirtschaftlich verfahren zu müssen. Das ist mehr als erstaunlich, nachdem die Planwirtschaft so kläglich gescheitert ist…. Spätestens seit dem Katastrophenwinter 1978/79 in der DDR, wo ich Energieabschaltungen und ihre Folgen live erlebt habe, ist mein Bedarf an Planwirtschaft gedeckt.“
Anders als es der Titel vermuten lassen könnte geht es Maxeiner und Miersch nur am Rande um die Partei Die Grünen. Kritisch müsse man Organisationen wie die Deutsche Umwelthilfe, den WWF, das Öko-Institut, das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, BUND, Greenpeace, PETA und Co. beleuchten. Warum? Diese sogenannten Nicht-Regierungs-Organisationen, aus dem englischen dann als NGOs abgekürzt sind demokratisch nur schwach legitimierte Organisationen, mit oft kleiner Vereinsbasis aber ungehöriger Reichweite und Finanz- kraft. Wer bei einigen der NGOs zu den Spendern zählt, lässt sich im Buch nachlesen. An einem Beispiel etwa wird gezeigt, dass für Marketing und Finanzen doppelt so viel Personal beschäftigt sei, wie im vermeintlichen Kernbereich Umweltschutz. Verkehrte Welt, aber dafür fließen unsere Spendengelder. Verkehrte Welt auch in Berlin: In der schwarz-roten Bundesregierung seien mit Billen (BMJV), Flasbarth (BMU), Baake (BMWi) immerhin drei grüne Staatssekretäre mit NGO-Hintergrund in Bundesministerien vertreten.
Eine große Chance wird Deutschland als wasserreichem Land zugeschrieben, ein Aspekt, der nur selten thematisiert werde („Megatrend Wasser“). Die Autoren plädieren dafür, unsere Landwirtschaft und die dazugehörende Forschung noch weiter auszubauen und entsprechende Technologien zu exportieren. Landwirte gehören zu den weltweit am meisten unter- schätzten Innovatoren.
Die Autoren wagen sich auch an die komplexe und heikle Thematik Gentechnik heran. Dabei stellen Sie etwa die Gretchenfrage, ob der Pekinese nicht auch ein durch menschliche Zuchteinwirkung umgeformter Wolf sei, oder ob man diese Art der Entwicklung als wirklich natürlich betrachte. Die Autoren fragen sich, mit welcher ethischen Begründung der frei verfügbare „Goldene Reis“ bekämpft werde, der viele Ernährungsprobleme der Welt lösen könne und stellen andere gentechnische Reizthemen auf den Prüfstand. Von der Position des Überflusses dürften wir gern im Supermarkt am Produkt, das uns missfällt vorübergehen. Handeln wir aber verantwortungsvoll, wenn durch unser Verhalten Forschungsgelder gestoppt werden, mit denen Lösungen für Ernährungsprobleme im Armenhaus der Welt ermöglicht würden? Diese Verantwortung tragen tatsächlich auch wir und die publizierte Meinung.
Weitere Themen umfassen: Warum in den 1970-er Jahren mit einer one-size-fits-all-Politik die Malaria nicht ausgerottet wurde, wie fair Fairtrade tatsächlich ist, Waljagd: Mythos und Wirklichkeit, was blieb vom Waldsterben, Palmöl und Regenwaldabholzung, wie viel Bio ist in Biodiesel, Torfwälder Indonesiens und vieles andere mehr.
– Alle Urheberrechte bei Dr. Martin Leonhard ©
Dirk Maxeiner, Michael Miersch:
Alles Grün und Gut?
Eine Bilanz des ökologischen Denkens
Albrecht Knaus Verlag, München, 2014 384 Seiten, gebunden, 19,99 € (D)