In eigener Sache: Seit mehreren Jahren schreibe ich für eines der meistbesuchten deutschen Autorenblogs. Journalisten etablierter Medien halten diese Plattform für schlimm. Denn sie wollen nur das Beste für uns.
Normalerweise kommt die „Achse des Guten“ in etablierten Medien kaum vor. Darüber kann ein Achse-Autor nicht klagen: Es versteht sich von selbst, dass Print-Vertreter nicht noch Aufmerksamkeit organisieren wollen, wenn ein Autorenblog steigende Leserzahlen und sogar zahlende Abonnenten verbucht, während das eigene Geschäftsmodell beschleunigt schmilzt. Außerdem kommen die Qualitätsmedien der Republik von der „Süddeutschen Zeitung“ bis zur „Zeit“ mit ihren schönsten Stellen oft genug in Achse-Texten vor. Seit kurzem genießt die Achse allerdings ein Allzeithoch an Aufmerksamkeit, zuletzt in der „Zeit“. Das Hamburger Blatt schreibt am 29. Januar 2015: „Ohne mich. Der Publizist Michael Miersch hat das Blog ‚Achse des Guten’ verlassen, weil es ihm zu feindselig wurde“.
Um es gleich zu sagen: Ich bedaure den Abschied Michael Mierschs als Autor außerordentlich, und freue mich darüber, dass er der Achse neben Henryk Broder und Dirk Maxeiner als Miteigentümer erhalten bleibt. Die Gründe für seinen Teilabgang im Zorn sind mir auch alles andere als gleichgültig. Aber nun zur „Zeit“, die erst einmal die passende Fallhöhe schafft, um über die feindselige Achse berichten zu können.
„Bühne frei für eine liberale Gegenöffentlichkeit, pro Israel, pro Amerika, pro Kapitalismus, gegen die Untergangsbeschwörungen der Umweltbewegung – das war der Gründungsimpuls für das politischer Blog Achse des Guten“,
schreibt Autorin Miriam Lau. Um dann den moralischen Niedergang der Autorenplattform seit 2004 zu vermessen:
„Aus der Flaschenpost von damals ist eines der meistbesuchten politischen Blogs Deutschlands geworden. Aber ausgerechnet jetzt, da die Achse des Guten monatlich eine Million Besucher verzeichnet, verabschiedet sich einer der Gründer: Michael Miersch, 58, ist entsetzt über die Richtung, die das Blog zuletzt genommen hat.“
Es folgen Zitate aus Michael Mierschs Text „Na dann ohne mich“, den er, wie die „Zeit“ etwas irreführend schreibt, „auf Facebook“ veröffentlicht habe.
Schließlich folgt Laus Gesamturteil über das Blog:
„Mit seinem Hohn über ‚linke Schlampen’, über Schwule, das längst islamisierte Deutschland und das „parasitäre Pack“ von Gutmenschen ist Broder und seinem Mitstreiter Maxeiner nun ein Beifall sicher, den sie mit dem ursprünglichen Kreis freiheitsliebender Heimatloser nie erreicht hätten.“
Interessanterweise handelt es sich bei dem Zeit-Text um ein ziemlich originalgetreues Remake eines Textes, der schon 2012 auf zeit.de erschien, in einer Phase also, in der sich Michael Miersch noch als höchstaktiver Schreiber an Bord der Achse befand. Autor damals: Jörg Lau. Auch er beginnt mit dem taktischen Lob, um das Maß der Verkommenheit dann um so eindrucksvoller vorzuführen:
“Achse des Guten” war einmal ein radikal liberales Blog, stolz darauf, sich keine Denkverbote auferlegen zu lassen und den mittigen Mainstream herauszufordern.“
Dann folgt ein Zusammenschnitt aus einem Text Henryk Broders, der sich über Tsafir Cohen lustig macht, einen ehemaligen Autor eines Schwulen-Guides für Berlin, der später für die politisch einäugige Organisation Medico in Ramallah arbeitete und dort offenbar großzügig über die Gewalttätigkeit der Fatah hinwegsah, die er offenbar als Nebenwiderspruch beim Kampf gegen Israel betrachtete. Lau klempnert einige Halbsätze Broders zu einem Metatext zusammen:
„Abstoßend ist Broders Wortwahl, wo es darum geht, Tsafrir Cohen zu disqualifizieren. Er läßt sich lange und eingehend über Tsafrirs Homosexualität aus. Man wird darüber informiert, dass Tsafrir vor langer Zeit einen Schwulen-Guide für Berlin geschrieben hat, bevor er vor einigen Jahren das Medico-Büro in Ramallah übernahm.“ Und schließlich heißt es über die NGOs in den palästinensischen Gebieten: “So lange dieses parasitäre Pack nicht von seinem ‘Recht auf Rückkehr’ Gebrauch macht, wird es keinen Frieden in Palästina geben.” Der Gegner ist schwul und “parasitäres Pack” – das ist eine rechtsextreme Rhetorik, die der Broder, den ich einmal kannte, einfach nur widerlich gefunden hätte.“ (Hier der Text auf Zeit.de)
Es handelt sich also um die gleiche Textcollage, die auch Miriam Lau im Januar 2015 benutzt, um die Achse als illiberales, schwulen- und sonstwiefeindliches Sammelbecken zu charakterisieren.
Jeder Leser des kompletten Broder-Textes merkt übrigens, dass der Autor den NGO-Aktivisten Tsafir Cohen nicht wegen dessen Sexualität angreift, zu der auch gar nichts weiter ausgeführt wird, sondern wegen dessen opportunistischer Haltung
Die Darstellung der antiisraelisch gebürsteten und mit reichlich Steuergeld ausgestatteten NGOs in der Westbank und dem Gazastreifen als parasitär deckt sich übrigens ganz gut mit einem Text, den der amerikanisch-israelische Tuvia Tenenbom kürzlich im Zeitmagazin veröffentlicht hatte. Seinen Knalltüteneffekt erreichte Lau seinerzeit nur dadurch, dass er die Begriffe „schwul“ – den Broder in dem Beitrag übrigens gar nicht verwendet hatte – und „parasitäres Pack“ in einem Satz kompiliert und findet, damit habe er über ein Blog mit dutzenden Autoren und tausenden Texten alles nötige gesagt.
Aber der Ziehbrunnen, aus dem Lau 2.0 im Januar 2015 ihre vergangene und schon etwas streng riechende Meinungen schöpft, reicht tiefer, wenigstens in das „Zeit“-Jahr 2010. Damals griff Feuilletonchef Jens Jessen selbst in die Tasten, und befand folgendes:
„Vielleicht empfiehlt es sich, die Internetseite »Achse des Guten«, die besonders großzügig mit … Unterstellungen arbeitet, aus der Debatte herauszuhalten. Sie hat sich eher als Achse des Bösen gezeigt. Sie ist nicht an Aufklärung interessiert, sondern will den Westen in eine dem Islamismus analoge Hassposition emporpeitschen.“ (Link zum Text).
Mit analogen Hasspositionen kennt sich Jessen übrigens aus: 2008 erklärte er in einem Videoblog, ein Leninbild im Hintergrund, wie ein „deutscher Spießer“ in einer Münchner U-Bahn „den Anlass“ für einen „Zusammenstoß“ gegeben habe, in dem er zwei jeweils aus der Türkei und aus Griechenland stammenden Jugendliche bat, die Zigaretten auszumachen. Diese „dummen Anquatschungen“ (Jessen), diese emporgepeitschten Hassposition quittierten die beiden Jugendlichen damals mit mehreren Tritten gegen den Kopf des Rentners („Zusammenstoß“), der damals bleibende Schäden davontrug, aber knapp überlebte. Hier lässt sich Jessens Referat samt Uljanow-Ikone noch einmal anschauen: https://www.youtube.com/watch?v=lXhLAdPFROs
Immerhin spart sich Jessen den pseudopädagogischen Twist, die bessere Vergangenheit des verhassten Mediums taktisch zu loben. Wir fassen also zusammen: Schon 2010, als die Achse noch jung war und Michael Miersch sie als Schreiber entscheidend mitprägte, war sie die Achse des Bösen, vertrat Hasspositionen, die dem Massenmord der Islamisten nicht nur ungefähr, sondern so analog entsprachen wie die deutsche Rentnerspießigkeit einem Komatritt; 2012 arbeitete sich das Autorenblog als Sammelbecken rechtsextremer Rhetorik weiter in die Tiefe, und Ende 2014, als Michael Miersch sich als Autor zurückzog, wurde es dann richtig schlimm.
Ich wäre der letzte, der behaupten würde, die Achse sei ein perfektes Medium. Aber unter allen Medien ist sie immer noch dasjenige, das ungefähr so bunt ist, wie sich die weißen, mittelschichtigen konformen deutschen Redaktionen Deutschland unentwegt wünschen. Wahrscheinlich gibt es in keinem Autorennetzwerk so viele Schreiber mit einer anderen als einer bundesdeutschen Normalbiografie, so viele unberechenbare Textproduzenten und so wenige Autoren, die sich dafür interessieren, was in Berliner Hintergrundrunden geredet wird. Und vermutlich herrscht unter den Achse-Autoren ein Politikwissenschaftler- und Gschaftlhubermangel, den keine Redaktion je bei sich dulden würde. Deshalb muss Achgut auch aus der Debatte herausgehalten und nur alle paar Jahre kurzzeitig eingeführt werden, um nachzuweisen, dass die Lage dieses Blogs schon immer schlimm war. Allerdings noch nie so schlimm wie jetzt.