Viele Journalisten durften sich Hoffnung machen, es herrschte harte Konkurrenz. Jetzt stehen die Besten nach mühevoller Arbeit der Jury fest: Ich präsentiere die Gewinner des „Grünen Pinocchio 2014“. Eigentlich klangen meine Wettbewerbsbedingungen nach einer lösbaren Aufgabe: „Prämiert werden Artikel“, hieß es in der Ausschreibung, „in denen Sachverhalte der Energieerzeugung absichtsvoll verdreht und mit Grünsprech verbunden werden, um ein möglichst verzerrtes Propagandabild zu erzeugen.“ Wo, so mögen sich viele gesagt haben, liegt da die Herausforderung? Aber sehen Sie selbst, auf welch hohem Niveau sich die Finalisten des Jahrgangs 2014 bewegten.
Zu einem dritten Preis reicht es für die „Zeit“, die am 31. Januar 2014 kurz nach dem vorläufigen Insolvenzantrag der Itzehoer Windenergiefirma Prokon schrieb: „Die fasche Pleite“.
Von den damals schon bekannten Umständen, dass Wirtschaftsprüfer der Firma 2013 ein Testat der Bilanz verweigerten, Prokon schon über 170 Millionen Euro Verlust schrieb und Verbraucherschützer seit Jahren warnten, das Geschäftsmodell des Gurus Carsten Rodbertus könne gar nicht aufgehen, lässt sich der „Zeit“-Autor nicht beirren. Er schreibt:
„Eine Pleitefirma, die vielleicht gar nicht pleite ist, das ist nicht die einzige Merkwürdigkeit im Fall Prokon. Eine andere: Ein Unternehmen, das die Energiewende mitgestaltet, wird als Betrügerfirma denunziert. Zehntausende Anleger, die es für klug hielten, in Sachwerte zu investieren, die sie sich nach kurzer Autofahrt ansehen können, müssen sich jetzt nachsagen lassen, dumm, gierig oder beides zu sein…Was ist passiert? Prokon hat sogenannte Genussrechte ausgegeben, um Kapital zu beschaffen. Dabei handelt es sich um ein Zwischending von unternehmerischer Beteiligung und Festzinspapier, für das es keine besonderen gesetzlichen Regeln gibt. Der Verkaufsprospekt von Prokon ist vorbildlich und gut verständlich.“
Das meint die Jury: Zu loben ist die Konsequenz, mit der die „Zeit“ teilweise wortwörtlich Argumente des Prokon-Gründers übernimmt und auf Zahlen und Fakten weitgehend verzichtet, um die Geschichte des denunzierten Ökopioniers zu erzählen. Allerdings: leider kam der Beitrag etwas spät. Vor dem Insolvenzantrag hätte er noch etliche Leser zum Kauf eines Anteilsscheins animieren können. Schade. Alles in allem: Bronze.
„Spiegel Online“ wagt da etwas mehr, nämlich den zielgerichteten schöpferischen Umgang mit Zahlen. Am 1. Oktober 2014 meldet die Plattform den Siegeszug der grünen Energien in Deutschland:
„Energiemix: Erneuerbare sind Deutschlands wichtigste Stromquelle“.
Im Text erfährt der Leser dann, dass alle Grünenergiequellen zusammen 27,7 des deutschen Stromverbrauchs abdecken. Nun könnte man einwenden, dass die nichtgrünen Energien mit 72,3 Prozent immer noch die etwas größere Quelle darstellen. Aber auch die größte Einzelquelle bleibt mit weitem Abstand Kohle (44,8 Prozent). Erst dadurch, dass SpOn ohne sachlichen Anlass Kohlestrom in Braun- und Steinkohle auseinanderrechnet und auf der anderen Seite alle Grünstromarten von Wind über Sonne und Biogas bis zum Wasserkraftwerk zusammenzählt, geht das agitatorische Wunderwerk auf.
Das meint die Jury: Im Ansatz durchaus elegant, allerdings nicht für Leser geeignet, die selbst rechnen. Deshalb Silber.
Wie es wirklich geht, zeigt der „Stern“ vom 28. Mai 2014 in seiner Titelgeschichte: „100 Gründe, Deutschland zu lieben“. Grund 68 lautet:
„Weil wir die Energiewende durchziehen. Inzwischen stammt mehr als jede vierte Kilowattstunde Strom aus sauberen, erneuerbaren Quellen. Spätestens 2050 werden es 100 Prozent sein, jede Wette…Wir sollten weiter Tempo machen. Der Ölpreis steigt unaufhörlich weiter in die Höhe…In einigen Jahren werden auch die Letzten einsehen, dass die Umstellung auf grüne Energie unterm Strich ein Schnäppchen war. Zurzeit zahlen wir Deutsche jedes Jahr fast 100 Milliarden Euro vor allem an arabische Ölscheichs und russische Gasbarone… All das können wir uns sparen, Sonne und Wind liefern kostenlos. Was ist dagegen die eine Billion Euro, die Ex-Umweltminister Peter Altmaier schlimmstenfalls für die Energiewende veranschlagt?“
Nun wird Deutschland, jede Wette, auch 2050 oder 2080 nicht zu 100 Prozent von grüner Energie leben, sofern es nicht gelingt, Hochnebel, Windstille und die Nacht abzuschaffen, alles Faktoren, die das Ökostromaufkommen immer wieder auf weniger als fünf Prozent der installierten Leistung drücken und heute wie in Zukunft einen kompletten konventionellen Kraftwerkspark nötig machen. Der Ölpreis lag 2013 zeitweise um die 120 Dollar pro Barrel, als der „Stern“ in den Druck ging, kratzte er noch um die 110 Dollar, dann fiel er unaufhörlich weiter bis auf derzeit gut 60 Dollar.
Öl und Gas für knapp 100 Milliarden wandeln die Einkäufer in Deutschland ganz überwiegend in Mobilität und Wärme um (Gas zu 90 Prozent), zur Stromproduktion tragen sie folglich kaum etwas bei. Nur 20 Prozent des Energieverbrauchs entfällt auf den Strom; die 27 Prozent Ökostrom davon kosten wiederum gut 23 Milliarden Euro pro Jahr. Ein Schnäppchen! Kratzbürstige „Stern“-Leser fragen sich möglicherweise nur, wer eigentlich die Billion kassiert, wo doch Sonne und Wind kostenlos liefern.
Das meint die Jury: Der ganzheitliche Ansatz überzeugt, nicht an einzelnen Zahlen herumzuschrauben, sondern eine ganz eigene modellierte Realität zu erschaffen. Das sollte den neuen Standard der Energiewendeberichterstattung setzen. Also: Gold. Und Tusch!
Als Preise winken den Selbstabholern, in der Reihenfolge von drei bis eins, eine Jürgen-Trittin-Gedächtnis-Eiskugel im Wert von 25 Euro, ein handgezeichneter Prokon-Genussschein und ein signiertes Exemplar des Buches „Der grünen Blackout. Warum die Energiewende nicht funktionieren kann“.
Kein grüner Pinocchio-Sieger? Macht nichts. Das Sachbuch „Der grüne Blackout. Warum die Energiewende nicht funktioniert“ kann man auch kaufen: bei Amazon als E-Book für 3,99 Euro und als Paperback für 9,99 Euro